Beste Lösung: Theatergemeinschaft


Prof. Dr. habil. Dagmar Schipanski, Thüringer Ministerin
für Wissenschaft, Forschung und Kunst,
für eine leistungsfähige Theatergemeinschaft Erfurt - Weimar



Wo ist das alternative Konzept? Nach monatelanger intensiver Diskussion, nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente und Konzepte, nach wiederholten, aber vergeblichen Versuchen, den Bund ins Boot zu holen oder in privaten und öffentlichen Kassen andere Finanztöpfe aufzutun, sehe ich zum Modell einer Theatergemeinschaft keine Alternative.
Der Freistaat Thüringen gibt Jahr für Jahr 117 Millionen Mark für seine Theater und Orchester aus. Damit liegen wir an der Spitze aller Bundesländer bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Theater. Das kann sich sehen lassen; bei diesem Betrag soll es auch bleiben, und ich lasse mir diese Summe nicht klein reden. Wenn für Theater und Orchester in diesem Zweieinhalb-Millionen-Einwohner-Land pro Jahr über 200 Millionen Mark öffentliche Zuschüsse zur Verfügung stehen, dann ist auch künftig ein regional ausgewogenes und qualitätvolles Theater- und Konzertprogramm möglich. Und wenn davon Erfurt und Weimar 75 Millionen pro Jahr erhalten, dann darf auf beiden Bühnen und in allen Sparten sogar ein sehr gutes Programm erwartet werden.
Ich will die Summe aber auch nicht schöner reden, als sie ist. Der Finanzbedarf wird in den kommenden Jahren durch Tarifsteigerungen und die notwendige Ost-West-Angleichung deutlich wachsen. Das Geld, mit dem heute in Thüringen rund 2500 Beschäftigte in Thüringer Theatern und Orchestern bezahlt werden können, reicht in sechs oder sieben Jahren voraussichtlich nur noch für knapp 2000, und so sind Einschnitte unumgänglich. Auch am Deutschen Nationaltheater Weimar und am Theater der Landeshauptstadt Erfurt werden im Laufe der nächsten Jahre schrittweise jeweils 20 bis 25 Prozent der Stellen abgebaut werden.
Deshalb sollten die Kräfte gebündelt werden. Daher halte ich die Idee des Deutschen Bühnenvereins, eine Theatergemeinschaft beider Häuser zu bilden, auch und gerade im Interesse des Publikums für vernünftig. Ein Blick auf mögliche Alternativen verdeutlicht dies:

Alternative 1

Die beiden Städte und der Freistaat fangen die Kostensteigerungen auf. Wenn alle Strukturen so bleiben, wie sie bisher sind, würden die Kosten Jahr für Jahr tarifbedingt in Millionenhöhe steigen, und 2007 fielen jährlich etwa 16 Mio. DM für beide Häuser zusätzlich an. Das können weder die Städte Erfurt und Weimar noch das Land aufbringen. Alle drei sind bereits mit ihrer Theaterförderung an einer Grenze angekommen - gerade noch vertretbar gegenüber den übrigen Theatern und Orchestern im Land, gegenüber den anderen Kultureinrichtungen und den weiteren Aufgaben der öffentlichen Hand.

Der Thüringer Kulturhaushalt ist, auf Einwohner bezogen, unter den Flächenländern der Bundesrepublik Deutschland der am besten ausgestattete. Eine Steigerung ist daher ausgeschlossen, eine Beibehaltung des derzeitigen Niveaus ist bereits ein großer Gewinn. Denn aus Überzeugung und Verantwortung gegenüber unserem Land und den nachfolgenden Generationen trage ich auch mit dem mir anvertrauten Haushalt zu den Konsolidierungsbemühungen der Landesregierung bei.
Eine Umschichtung zu Lasten der anderen Theater und Orchester im Land kann und will ich aus Achtung vor der besonderen Kulturgeschichte Thüringens und aus regionalpolitischen Gründen nicht zulassen. Ebenso kann ich nicht verantworten, daß freie Träger, die ohnehin nur marginal gestützt werden, noch mehr beschnitten werden.

Alternative 2

Beide Häuser bleiben selbständig, bekommen weiterhin ihre öffentlichen Zuschüsse in der jetzigen Höhe. Wenn diese Variante eintritt, werden sich beide Theater nebeneinander kaputtsparen. Wenn beide Häuser ein vollständiges 3-Sparten-Angebot auf die Bühne bringen wollen, mit eigenen Ensembles, eigener Verwaltung, eigenen Werkstätten, eigenem Orchester, dann müssen zwangsläufig all diese Kollektive kleiner werden. Was das z.B. für einen so hervorragenden Klangkörper wie die Weimarer Staatskapelle bedeutet, mag ich mir nicht ausmalen.

Alternative 3

Beide Theater bleiben selbständig und vereinbaren in einem Kooperationsvertrag gemeinsame Produktionen und den Austausch von Inszenierungen. Das ist allemal sinnvoll, bringt aber keine Einsparungen.

Es wurden noch mehr Vorschläge unterbreitet. Die meisten zielen nach dem Sankt-Florians-Prinzip auf die Daseinsberechtigung anderer Häuser. Das wird weder der kulturgeschichtlichen Tradition noch der Verbundenheit unserer Bevölkerung mit ihren Theatern gerecht.
All diese Alternativen bringen keine wirkliche Lösung. Unter den finanziellen Rahmenbedingungen ist gutes und volles Programm in beiden Häusern nur von einer Theatergemeinschaft zu gewährleisten.
Auch bei einer Theatergemeinschaft müssen wir zwar Personal in Größenordnungen abbauen. Dies zu bestreiten, wäre unredlich. Aber unter dem Strich kann sich eine Theatergemeinschaft mehr künstlerisches Personal leisten als jedes Theater für sich allein. Insgesamt stünden 75 Millionen Mark im Jahr für die Theatergemeinschaft bereit - eine Ausstattung, von der viele andere Häuser in Deutschland nur träumen. Wir sind mit dem Deutschen Bühnenverein, der in unserem Auftrag die Machbarkeit auch und gerade unter künstlerischen Gesichtspunkten sorgfältig geprüft hat, der Meinung, daß man mit dieser Summe, ergänzt um die eigenen Einnahmen, mehr erreicht, als mit der anstehenden konstanten Finanzierung und künstlerischen Auszehrung der einzelnen Häuser bei Beibehaltung der jetzigen Struktur.
Es wurde in diesem Jahr fast ausschließlich über Geld geredet und zu wenig vom Zuschauerraum aus argumentiert. Entscheidend ist aber doch, was auf die Bühne kommt. Und ein größeres Theater - das ist unbestritten - kann mehr leisten. Auch der Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar, Stephan Märki, hat bereits mehrfach betont, daß eine Fusion die zweitbeste Lösung ist, wenn eine komplette Eigenständigkeit nicht mehr finanzierbar ist.
Wenn das Land gemeinsam mit den beiden Städten eine Theatergemeinschaft bildet, dann erreichen wir eine Sicherung für die Zukunft auch über das Jahr 2008 hinaus. Bis dahin bieten wir jetzt den beiden Städten an, die Finanzierung gemeinsam festzuschreiben. Daher sagen wir klar: Ja, wir wollen die Theatergemeinschaft, denn es gibt zu ihr keine finanzierbare Alternative.
Nagelprobe ist für mich die derzeitige Verhandlung eines GmbH-Vertrags für eine Theatergemeinschaft des Deutschen Nationaltheaters und des Theaters Erfurt, wobei die Theater selbstverständlich ihren Namen behalten können.
Dieser neue Träger - er könnte Staatstheater Thüringen GmbH heißen und seinen Sitz in Weimar und Erfurt haben - hätte die Aufgabe, an den Spielstätten des Deutschen National Theaters Weimar und des Theaters Erfurt Bühnenwerke in den Sparten Musiktheater, Sprechtheater, Ballett/Tanztheater sowie Konzerte aufzuführen.
Um dieses Ziel zu verwirklichen, sollen die Theater in Erfurt und Weimar zunächst so, wie sie sind, diese Gemeinschaft eingehen und schrittweise die Ensembles zusammenführen. Dabei soll unter weitgehender Ausnutzung der Personalfluktuation der notwendige Stellenabbau vorgenommen werden, um künstlerisch wie haushalterisch verantwortbare Zielzahlen zu erreichen.
Die Gesellschaft hätte zunächst die beiden Generalintendanten als Geschäftsführer, die gesamtverantwortlich sind und gleichwohl ihre Häuser selbständig leiten sollen. Ob es später nur einen Intendanten, einen oder zwei Geschäftsführer geben sollte, muß heute noch nicht entschieden werden. Das hängt von der Entwicklung ab.
Als wesentliches Lenkungsgremium würden die Gesellschafter einen Aufsichtsrat schaffen, der die Geschäftsführung beraten und überwachen und - paritätisch besetzt - 9 Mitglieder haben soll, d.h. je 3 von den Städten und 3 vom Freistaat Thüringen entsandte Mitglieder.
Bei den derzeitigen Verhandlungen über einen solchen Gesellschaftervertrag müssen sich die Trägerkommunen bekennen, ob sie bereit sind, auf Dauer ihre Ensembles zu einem Theater zusammenzuführen, um mit gebündelter Kraft in der Mitte des Freistaats ein gutes Angebot in allen Sparten und in beiden Städten zu präsentieren oder ob sie lokale Eitelkeiten über die Auszehrung ihrer Theater stellen wollen.
Hier dränge ich, hier drängt auch der Ministerpräsident auf eine rasche Entscheidung. Die ausgestreckte Hand des Landes, langfristige Finanz- und Planungssicherheit zu gewähren und jetzt sogar in der Trägerschaft Mitverantwortung zu übernehmen, sollte ergriffen werden. Wir können sie nicht ewig hinhalten.