Ein Maler und Chronist


Alfred-Ahner-Retrospektive im Kunsthaus Apolda Avantgarde


Alfred Ahner wurde am 13.8.1890 in Wintersdorf geboren, einem Ort nahe Altenburgs am Rande des ostthüringischen Braunkohlegebietes. Sein täglicher Schulweg führte ihn über die Schnauderwiesen am Kohletagebau vorbei, der ihn schon damals zu zahlreichen Skizzen und Studien anregte. Als Fünfzehnjähriger begann er eine Lithographenlehre in der Güntherschen Kunststeindruckerei in Gera, besuchte Abendaktkurse und den Zeichenunterricht in der Sonntagsschule von Jacobi. Mit Gleichgesinnten wie Otto Dix zog er nach Feierabend in die Umgebung Geras, um sich in der Landschaftsmalerei und dem gegenseitigen Porträtieren zu üben. 1911 ging er nach München und bereitete sich in der Privatschule des russischen Malers Magidéy auf die Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie Stuttgart vor, die er ab September 1913 besuchte.
Der Erste Weltkrieg machte weitere künstlerische Studien zunichte. Als Sanitätssoldat schleppte er in Frankreich Verwundete vom Schlachtfeld.
Nach dem Krieg zurückgekehrt in seinen Heimatort Wintersdorf, arbeitete Ahner nachts im Braunkohletagebau als Pumpenwärter und nutzte die freien Stunden am Tage für seine künstlerische Arbeit. 1922 heiratete er die Gartenbaulehrerin Erna Oschatz und begann freischaffend in Weimar zu arbeiten. 1923 wurde sein Sohn Karl-Hermann und zwei Jahre später seine Tochter Maria-Erika geboren. Er hatte eine überaus reiche künstlerische Schaffensperiode.
Mit dem beginnenden Faschismus wurde Alfred Ahner jedoch wegen seiner humanistischen und antimilitaristischen Haltung ins berufliche Aus gedrängt und hatte mit großen Existenzsorgen zu kämpfen: Ins Arbeiten komme ich schlecht wieder herein - es ist, als wenn alles vorbei ist - - Fast den ganzen Tag ist es auch trübe und dunkel. Der Winter hat begonnen, mit etwas Schnee u. Kälte! - Aber wie allein steh ich auch da mit meiner Kunst! [...] Alles - was jetzt geschieht, eigentlich nur - die Abrechnung - die Bilanz - der Schlussstrich - aller Erscheinungen der letzten Jahrzehnte - die ja bereits Oßwald Sprengler viel gründlicher und umfassend erkannt hat, als wie ich. Gelesen habens wohl viele, aber auch gar nichts daraus gelernt - sondern bloß gesagt: &Mac226;Haben Sie schon Oßwald Sprenglers Untergang des Abendlandes gelesen!? (Tagebuch 7.12.1943)
1943 fiel sein geliebter Sohn Karl-Hermann, und ab 1944 mußte auch er wieder als Sanitätssoldat in den Krieg.

Alfred Ahner war gern in Weimar unterwegs. Die Straßen, Gassen, Plätze, Cafés und Kneipen hatten es ihm angetan, insbesondere abends, wo Kontraste von Licht und Dunkel in der Stadt ihn besonders faszinierten. Eine der wenigen positiven Äußerungen zu Weimar in seinen Tagebüchern belegt das: Abends schöner Stadtbummel zur Herderkirche - Wie schön wirken die Bauten und Häuser abends [...] Dann ist Weimar am Schönsten! [...] eine [?] ganz ästhetisch hochstehende Straßenbeleuchtung! - Welcher Geschmack! (Tagebuch 17.5.1958)
Ahners Werke haben zwar oft lokalen Bezug, aber mit dem Wissen um die größeren Zusammenhänge und der intensiven Beobachtung der Geschehnisse seiner Zeit, insbesondere in Weimar, erhalten sie in der künstlerischen Umsetzung eine Verallgemeinerung und erlangen in ihrer Überhöhung oft symbolhafte Bedeutung. Leidenschaftlich setzt er sich mit Problemen seiner Zeit auseinander, immer mit dem Gefühl der Mitverantwortung für das, was geschieht, und manchmal mit Verzweiflung über die allgemeine Gleichgültigkeit: Ich glaube der Durchschnitttyp des Menschen, der sog. Spießer, ist glücklich -(?) Er kennt nur die körperlichen Behagen und Mißbehagen - Sein Sinn ist aufs Reale gerichtet [...] Die Kunst existiert für ihn nur als Unterhaltung und Decoration - Im Übrigen findet er sie verdammt überflüssig, und diejenigen, die sie hervorbringen, gehörten sonst wo hin. - Darum ist dieser Menschtyp uns gegenüber, die wir unzufrieden sind, glücklich zu nennen. (Tagebuch Dez. 1923)
Ahner zeichnete alles, was ihn interessierte, begeisterte, berührte oder ihm wert war, festgehalten zu werden, und brachte es vor allem mit Pastell-, Kreide- und Kohlestiften treffsicher aufs Papier. Die Ausstellung im Kunsthaus Apolda Avantgarde versucht Einblicke in das Gesamtschaffen Alfred Ahners zu vermitteln: Zu finden sind heitere und ernste Situationen des Familienlebens, amüsante, aber auch nachdenkliche Szenen auf den Straßen, in den Cafés, in Wartesälen, bei Gerichtsverhandlungen, im Landtag, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens insbesondere in Weimar. Die Landschaft, das heimatliche Wintersdorf mit den umliegenden Tagebaugebieten, Blumen, Interieurs und die Tiere waren ihm ebenfalls wichtige Motive. Bilder mit religiöser Thematik tragen bei ihm meist gleichnishaften Charakter, spiegeln zeit- und gesellschaftskritische Inhalte wider. Viele seiner Werke strahlen Heiterkeit und Zuversicht aus, offenbaren den Frohsinn seines Naturells.
Einen überaus wichtigen Platz in seinem Schaffen, und deshalb auch einen besonderen Stellenwert in der Apoldaer Ausstellung, haben die Porträts.
Der enge Kontakt zu seinen Modellen war ihm immer sehr wichtig, um die jeweilige Person in ihrer Individualität erfassen zu können. Eigenwillig und spontan brachte er sie aufs Papier, ohne sich von Äußerlichkeiten täuschen zu lassen. Verkäufe waren daher oftmals sehr schwierig. Manches Auftragswerk wurde nicht abgeholt, weil sich der so Dargestellte nicht gefiel. Ahner schmeichelte nicht, wollte nicht gefallen um jeden Preis, sondern er wollte Geschlossenheit und Vertiefung der Aussage. Seine Porträts sind deshalb von großer Tiefe und Lebendigkeit.
Alfred Ahner bewahrte sich seine unermüdliche Schaffenskraft bis ins hohe Alter, auch wenn ihn ein Schlaganfall 1969 rechtsseitig lähmte. Er zeichnete und schrieb fortan bis kurz vor seinem Tode am 12.11.1973 mit der linken Hand.
Sein Malerfreund Gottfried Schüler (1923 -1999) würdigte Ahner in der Laudatio zur Weimarer Ausstellung 1983 mit folgenden treffenden Worten: Was Du gezeichnet, gewischt und gemalt hast, war immer Äußerung und Ausdruck Deines Wesens in der Summe Deiner Gedanken, Em-pfindungen, Beobachtungen - Person und Arbeit deckungsgleich, alles sozusagen Selbstporträt, keine Tricks, keine Manieriertheiten, keine Mode, keine Spekulation, und daher immer von hoher Qualität. Deine Arbeiten, um es einfach zu sagen, sie waren immer Kunst! Und weil es Kunst war, von der Skizze bis zum sogenannten fertigen Bild, deshalb wurden auch Deine Inhalte glaubhaft, überzeugend, und nicht andersrum! Es geht in der Kunst immer um Qualität, und Qualität ist die denkbar gelungenste Gestaltung eines Inhalts, und nicht der Inhalt an sich macht schon die Kunst. Das hat man lange durcheinandergebracht, fast bis zum heutigen Tage. Lebensbeispiele wie Du setzen da Maßstäbe, an denen Kollegen, Kunstkritik und Kulturpolitik Orientierungshilfen finden können.
Bärbel Reuter


7.10. - 9.12.2001: Kunsthaus Apolda Avantgarde
25.1. - 3.3. 2002: Stadtmuseum Groß-Gerau
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog:
144 S., 100 Abb., Preis: 25 DM